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collage mit Menschen die wütend aussehen.

Grundsatzverfahren zum neuen UWG

Am 2. Dezember 2020 ist das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ in Kraft getreten. Ziel dieser Gesetzesnovelle ist es, rechtsmissbräuchliche Abmahnungen zu verhindern. Zu diesem Gesetz ist nun ein Grundsatzverfahren vor dem Landgericht Osnabrück anhängig. Am 11. Juni 2021 findet die mündliche Verhandlung vor dem Landgericht Osnabrück statt.


Worum geht es bei der Gesetzesreform?

Am 2. Dezember 2020 wurde eine zentrale Neuregelung in das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) eingeführt. Dieser § 8c UWG hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

§ 8c UWG Verbot der missbräuchlichen Geltendmachung von Ansprüchen; Haftung

(1) Die Geltendmachung der Ansprüche aus § 8 Absatz 1 ist unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist.

(2) Eine missbräuchliche Geltendmachung ist im Zweifel anzunehmen, wenn

  1. die Geltendmachung der Ansprüche vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder von Kosten der Rechtsverfolgung oder die Zahlung einer Vertragsstrafe entstehen zu lassen,
  2. ein Mitbewerber eine erhebliche Anzahl von Verstößen gegen die gleiche Rechtsvorschrift durch Abmahnungen geltend macht, wenn die Anzahl der geltend gemachten Verstöße außer Verhältnis zum Umfang der eigenen Geschäftstätigkeit steht oder wenn anzunehmen ist, dass der Mitbewerber das wirtschaftliche Risiko seines außergerichtlichen oder gerichtlichen Vorgehens nicht selbst trägt,
  3. ein Mitbewerber den Gegenstandswert für eine Abmahnung unangemessen hoch ansetzt,
  4. offensichtlich überhöhte Vertragsstrafen vereinbart oder gefordert werden,
  5. eine vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung offensichtlich über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht, […]

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)


Die Bundesregierung verfolgte mit der Gesetzesnovelle das erklärte Ziel, Abmahnmissbrauch effektiv zu verhindern. In ihrer Pressemitteilung vom 10. September 2020 führt die Bundesregierung aus:

Die Betroffenen können missbräuchliche Abmahnungen in Zukunft durch die Schaffung mehrerer Regelbeispiele für missbräuchliche Abmahnungen leichter darlegen. Hierzu zählt die massenhafte Versendung von Abmahnungen durch Mitbewerber genauso wie Fälle, in denen eine offensichtlich überhöhte Vertragsstrafe verlangt wird oder Mitbewerber einen unangemessen hohen Gegenstandswert ansetzen.Die Pressemitteilung der Bundesregierung ist online abrufbar.


Worum geht es in dem Grundsatzverfahren in Osnabrück?

Seit dem 3. Dezember 2020 hat die Giffits GmbH aus Hamburg eine Vielzahl von Online-Händlern mit Anwaltsschreiben abmahnen lassen. Bemängelt wurde in allen Schreiben, dass die Online-Händler eine Zertifizierung nach der Öko-VO (EG-Verordnung 834/2007) benötigten, diese aber nicht vorlag. Dabei wurden über 50 nahezu identische Schreiben versendet, wobei zunächst Streitwerte von 100.000 Euro angenommen und Vertragsstrafeversprechen von 10.000 Euro gefordert wurden.

Bei der Zertifizierung handelt es sich um eine Formalität, die online abgewickelt werden kann. Die Zertifizierung kostet in der Regel weniger als 500 Euro (ohne Mehrwertsteuer) und erfordert wenig Zeitaufwand. Stationäre Händler, die nicht online Handel treiben, brauchen eine solche Zertifizierung nicht.

Auch die CRIMEX GmbH aus Osnabrück hat am 3. Dezember 2020 eine solche Abmahnung erhalten. Die Giffits GmbH forderte die CRIMEX GmbH in der Abmahnung auf, bis zum 9. Dezember 2020 eine Unterlassungserklärung mit einem Vertragsstrafeversprechen in Höhe von 10.000 Euro (zehntausend Euro) „für jeden Fall der Zuwiderhandlung unter Ausschluss der Handlungseinheit“ zu unterschreiben. Für dieses Standardschreiben setzte die Giffits GmbH einen Gegenstandswert von 100.000 Euro (einhunderttausend Euro) an und forderte die CRIMEX GmbH auf, Abmahngebühren basierend auf diesem Gegenstandswert an die Giffits GmbH zu zahlen. In dem Abmahnschreiben ließ die Giffits GmbH unerwähnt, dass sie auch weitere Unternehmen mit demselben Vorwurf abmahnt.

Die CRIMEX GmbH unterzeichnete die Erklärung mit dem geforderten Vertragsstrafeversprechen über 10.000 Euro nicht. Sie beantragte umgehend eine entsprechende Zertifizierung nach der Öko-VO, nahm alle Bio-Produkte vorübergehend aus dem Sortiment und informierte die Giffits GmbH entsprechend.

Die Giffits GmbH beantragte gleichwohl eine einstweilige Verfügung beim Landgericht Osnabrück, die von der 14. Zivilkammer ohne vorherige Anhörung der CRIMEX GmbH erlassen wurde. Auch in dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung erwähnte die Giffits GmbH nicht, dass dieses Verfahren Teil einer umfassenden Abmahnwelle mit inzwischen über 50 Abmahnungen ist. Die 14. Zivilkammer hatte § 8c UWG in ihrem vorläufigen Beschluss überhaupt nicht erwähnt. Die CRIMEX GmbH hat nun einen Widerspruch gegen den vorläufigen Gerichtsbeschluss eingelegt, über den am 11. Juni 2021 verhandelt wird.

Nach Auffassung der CRIMEX GmbH liegen seitens der Giffits GmbH erhebliche Verstöße unter anderem gegen § 8c Abs. 1 Nr. 1, 2, 3, 4 und 5 UWG vor. So hatte beispielsweise der Bundesgerichtshof bereits bei einer geforderten Vertragsstrafe von 5.100 Euro Rechtsmissbräuchlichkeit angenommen (BGH Urteil vom 15. Dezember 2011, Aktenzeichen I ZR 174/10). Das Urteil ist online abrufbar.

Einige Oberlandesgerichte hatten diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in der Vergangenheit nicht konsequent umgesetzt, sodass nun im vergangenen Jahr der Gesetzgeber tätig werden musste. Dies hatten die beiden Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart und dem Schutz der Wirtschaft vor missbräuchlichen Abmahnungen höchste Priorität eingeräumt.

Die Besonderheit der vorliegenden Abmahnwelle besteht nicht nur in der Vielzahl der abgemahnten Unternehmen, den kurzen Antwortfristen, den überhöhten Streitwerten und Vertragsstrafen, sondern auch darin, dass die geforderte Unterlassungsverpflichtung in mehrfacher Hinsicht offensichtlich über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht. Denn die Giffits GmbH hatte die Übernahme einer verschuldensunabhängigen Garantiehaftung gefordert. Zudem sollte ausdrücklich die sogenannte Handlungseinheit ausgeschlossen werden. Auch bei mehreren schuldlosen Verstößen, die nach dem Gesetz als eine einzige Handlung anzusehen wären (Handlungseinheit), sollte die Giffits GmbH also einen Anspruch bekommen nicht nur eine, sondern entsprechend viele Vertragsstrafen fordern zu können.


Warum ist dieses Grundsatzverfahren so wichtig?

Rechtsmissbräuchliche Abmahnungen stellen eine schwere Belastung für den Mittelstand dar. Um diesen Missstand zu beenden, hat der Deutsche Bundestag das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ verabschiedet, deren Herzstück die Regelung in § 8c UWG ist. In dem aktuellen Verfahren geht es nun darum, wie diese Regelung in der Gerichtspraxis umzusetzen ist.

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